23.01.17, 12:01

Kapitalmarkt-News – Harter Brexit: Pfund wird abwerten

20. Januar 2017

Premierministerin Theresa May hat eine klare Trennung Großbritanniens von der EU angekündigt, und das britische Pfund hat zunächst aufgewertet. Dafür gibt es keine fundamental nachvollziehbare Begründung. Zwar verkaufte die britische Premierministerin den harten Brexit in ihrer Rede vom 17. Januar als ihre eigene Entscheidung und stellte ihn als Opportunität dar, mit Hilfe derer Großbritannien wieder weltweit an Bedeutung gewinnen könne. Doch unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der zukünftigen Beziehungen wird die britische Wirtschaft bei einem harten Brexit in Mitleidenschaft gezogen werden, da die Vernetzung mit der EU nachlassen und somit der Handel von Gütern und Dienstleistungen unweigerlich belastet wird. Zwar verwies Theresa May umgekehrt auf die negativen Folgen eines eingeschränkten Handels mit Großbritannien für die EU. Aber die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, wer die bessere Verhandlungsposition hat. So gehen ca. 44 % der britischen Exporte in die EU, während nur 7 % der EU-Exporte nach Großbritannien fließen. Die Insel macht dabei 21 % des BIP der verbleibenden 27 EU-Länder aus.

 
Die EU hat bei allen Verhandlungen mit Ländern, die uneingeschränkten Zugang zu ihrem Binnenmarkt wünschen, auf die „vier Freiheiten“ bestanden - also die freie Bewegung von Menschen, Kapital, Gütern und Dienstleistungen. Diese Freiheiten scheinen für Großbritannien laut Referendum nicht akzeptabel zu sein. Das betrifft vor allem die freie Bewegung von Menschen. Die EU sollte jedoch auf ihren Prinzipien bestehen, auch im Sinne der Gleichbehandlung aller Mitgliedstaaten bzw. aller Staaten, die einen Sonderstatus mit der EU vereinbart haben, wie es bei der Schweiz oder Norwegen der Fall ist. Deswegen sollte eine Sonderregelung für Großbritannien nicht möglich sein, mit einem harten Brexit als Folge. Ziel der Verhandlungen über die zukünftige Zusammenarbeit zwischen EU und Großbritannien dürfte deshalb ein neues Handelsabkommen nach Vorbild der WTO sein. Da solch ein Abkommen den Handel mit und den generellen Zugang zum EU-Binnenmarkt reduzieren wird, sind mittelfristig verhaltene Wachstumsprognosen für Großbritannien durchaus angebracht. Theresa May spricht lieber von einem Neustart für Großbritannien und versucht durch Betonung auf Globalisierungs- und Industrialisierungsaspekte mögliche negative Effekte zu banalisieren. Die Rede dokumentiert deshalb eher die heikle Lage der britischen Politik als die Aufbruchstimmung in der Wirtschaft. Der harte Brexit führt zu einem Neuanfang, der Großbritannien zu alter Stärke führen wird, so die britische Premierministerin. Sie geht sogar so weit, dass sie die EU-Mitgliedschaft als kontraproduktiv für den britischen Handel bezeichnet. Sie verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der britische Handel seit Beginn der EU-Mitgliedschaft im Vergleich zum britischen BIP eher stagnierte. Ursachen, Folgen und Einflüsse der EU-Mitgliedschaft werden hierbei “phantasievoll“ interpretiert.
 
Die Idee von Theresa May, sich nach jahrelangem Fokus auf die Finanzdienstleistungsbranche auf die Industrie zu besinnen, ist nicht wirklich neu. Der neue Fokus kann natürlich auch unabhängig von der EU-Mitgliedschaft verfolgt werden. Mit direktem Zugang zu den Absatzmärkten der EU wären die Erfolgschancen für die britische Industrie allerdings bei Weitem größer. Die Devisenmärkte, wie auch das Feedback der britischen Presse sehen das allerdings anders. Theresa May ist im Augenblick erfolgreich, die kritische Lage der britischen Wirtschaft als Chance für Erfolg und Wohlstand zu verkaufen. Dies ist auch deshalb der Fall, weil May einen vollständigen Zugang zum EU-Binnenmarkt weiterhin als die offensichtlich beste Lösung für beide Parteien proklamiert. So erhöht sie den Druck auf die EU. Anders formuliert: Die Briten wollen die EU verlassen, negative Konsequenzen wollen sie jedoch eher der „unkooperativen“ EU zuweisen. Allerdings muss die EU nach dem Referendum nicht mehr die britischen Interessen berücksichtigen, sondern die der anderen 27 Mitgliedsstaaten. Das Ergebnis der Verhandlungen wird folglich anders aussehen, als das, was Theresa May als ideal ansehen würde. Gerade aus diesem Grund betont sie, dass es Kompromisse geben wird und muss.
 
Theresa May verfolgte in ihrer Rede vom 17. Januar die gleiche Strategie wie Gewerkschaften und Arbeitgeber bei Tarifverhandlungen Zu Anfang werden Lohnentwicklungen gefordert, von denen jeder weiß, dass sie nicht eintreten werden bzw. nicht akzeptabel sind. Sie weisen extreme Differenzen auf, um Raum für Verhandlungen zu schaffen und die Erwartungen der Gegenseite zu beeinflussen. Doch wie bei Tarifverhandlungen, so wird auch in diesem Falle das Ergebnis ein anderes sein. Deshalb ist es umso überraschender, dass das Pfund in Folge der Rede deutlich aufgewertet hat. Die Märkte scheinen daran zu glauben, dass das von May geforderte Maximum auch erreicht werden kann. Eine Fehleinschätzung! Großbritannien braucht ein schwächeres Pfund, vor allem, wenn das Land seine Industrie modernisieren und weiterhin selbst mit Zöllen in einem der größten Märkte der Welt wettbewerbsfähig sein will. Deshalb ist auf Sicht mit einer tendenziellen Abwertung des Pfund zu rechnen.
 
 
 
                        
 
Fazit: Das klare Bekenntnis der EU zu ihren vier Freiheiten – also die freie Bewegung von Menschen, Kapital, Gütern und Dienstleistungen – zwingt Großbritannien zu einem harten Brexit. Was immer die Austrittsverhandlungen bringen werden, sie werden einen erschwerten Zugang Großbritanniens zum EU-Binnenmarkt beinhalten. Dies wird wirtschaftliche Konsequenzen mit sich bringen, die Premierministerin Theresa May mit einer grundsätzlichen Neuausrichtung Großbritanniens einzudämmen versuchen will. Die Aufwertung des Pfund bescheinigt May einen anfänglichen Erfolg ihrer Strategie. Wenn Großbritannien seine Industrie modernisieren und trotz Zöllen in einem der größten Märkte der Welt wettbewerbsfähig bleiben will, benötigt das Land allerdings ein schwächeres Pfund. Deshalb ist die aktuelle Stärke des Pfund nicht nachhaltig, die Volatilität wird zunehmen.
 

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