Es braucht nicht viele Worte, um die Kernidee von Discountzertifikaten zu vermitteln: Man kauft eine Aktie mit Rabatt und ist dafür nur begrenzt an einem Kursanstieg beteiligt. Laut Statistik des Bundesverbands für strukturierte Wertpapiere (BSW) werden derzeit mehr als 160.000 solcher Papiere am deutschen Markt angeboten. Diese Bandbreite erlaubt bei den wichtigsten Aktien und Indizes eine sehr feine Justierung von Chance und Risiko. Dabei gilt: Hohe Rabatte geben mehr Sicherheit. Dafür wird die Teilhabe bei solchen defensiven Ausgestaltungen früher gekappt als bei nur kleinen Preisnachlässen. Anleger können dann also nur eine geringere Rendite erwarten. Die einfache Struktur macht die „Discounter“ zu echten Vorzeigepapieren, wo die Vorzüge von Zertifikaten insgesamt aufgezeigt werden sollen. Beispielsweise veröffentlicht der BSW jährlich eine Studie, in denen Discountzertifikate mit Direktinvestments in Aktien verglichen werden. Die Auswertung der 2023er Zahlen wurde noch nicht veröffentlicht. Die Ausgabe zum Vorjahr (2022) zeigt indes, dass 67 Prozent der einbezogenen Discountzertifikate ihren jeweiligen Basiswert outperformen konnten, wobei in dem schwachen Aktienjahr beide Investments im Schnitt Verluste eingebracht hätten. Bei den Discountzertifikaten fielen diese mit einem Durchschnittsminus von 3,8 Prozent aber geringer aus als bei den Aktien (-10,1 %). Die abfedernde Wirkung der Rabatte hat hier also geholfen. Wer tiefer in die Historie solcher Auswertungen blickt, erkennt schnell ein Muster: Je schwächer das Aktienjahr, desto mehr spielen die vergleichsweise defensiven Papiere ihre Stärke aus und können eine Outperformance erreichen. Doch wie schlägt sich die Produktidee über einen längeren Zeitraum? Und inwieweit können Erkenntnisse aus solchen Auswertungen für die Produktwahl in der Praxis genutzt werden? Um diesen Fragen nachzugehen, hat HSBC jüngst einen etwas anderen Ansatz gewählt: Für den Zeitraum von Oktober 2010 bis Anfang April 2024 simulierte die Emittentin täglich die Auflage von immer gleich gebauten Dax-Discountzertifikaten (letztes Laufzeitende: 05.07.24). Dabei wurden drei unterschiedliche Laufzeiten betrachtet: drei, sechs und zwölf Monate. Dafür wurde jeweils sowohl ein defensives Papier mit einer Gewinngrenze (Cap) bei 80 Prozent des zu diesem Zeitpunkt aktuellen Dax-Kurses simuliert als auch eine offensivere Variante mit Cap am jeweils aktuellen Indexstand (100 %). Daraus ergaben sich für jeden Börsentag sechs Papiere und es entstand ein Datenschatz von knapp 20.000 Discountzertifikaten, wie sie HSBC in diesem Zeitraum tatsächlich hätte anbieten können.
Stark in schwachen Jahren
Wenig überraschend zeigt sich auch bei dieser Analyse, dass die Papiere mit dem eingebauten Rabatt dann ihre relative Stärke ausspielten, wenn der Markt im Anschluss schwach lief. Somit hatten die Discounter eine schlechte Ausgangslage. Schließlich hat sich der Dax in dem betrachteten Zeitraum mehr als verdoppelt. Trotzdem kann sich die Bilanz der Discounter sehen lassen. Betrachtet man die Papiere mit einem Jahr Laufzeit, wie sie in der Praxis häufig gewählt werden, können selbst die defensiven Varianten mit Cap bei 80 Prozent in immerhin sechs von 14 betrachteten Jahren eine Outperformance gegenüber dem Dax vorweisen – also etwa in der Hälfte der einbezogenen Jahre (siehe Abbildung unten links). Das Nachsehen hätten Anleger vor allem bei einer Investition in den Jahren 2012, 2016 und 2020 gehabt. Hier konnten die „Sicherheitspapiere“ beinahe nie mit der jeweils anschließenden Dax-Rallye mithalten. Hingegen wäre ein Einstieg mit Preisabschlag insbesondere in den Jahren 2015, 2018 und 2021 meistens die bessere Wahl gewesen.
Anlageziel fast immer erreicht
So weit, so bekannt. Beeindruckender ist eine andere Betrachtung. Lässt man den Abgleich mit dem Dax außen vor und konzentriert sich rein auf die absoluten Ergebnisse, zeigt sich eine wahre Erfolgswelle der Discounter, die von der blauen Linie in der Abbildung unten links widergespiegelt wird. Hieran abzulesen: Der Fall, dass ein Discountzertifikat mit 80er-Cap und einem Jahr Laufzeit am Ende nicht das gewünschte Ergebnis geliefert hätte, kommt beinahe nicht vor. Der Anteil der Discounter, mit denen der höchstmögliche Ertrag erreicht worden wäre, liegt in den meisten Jahren bei vollen 100 Prozent. Er rutschte nie unter 95 Prozent ab. Für die Sichtweise vieler Investoren ist das überaus erfreulich. Denn deren Anspruch ist es oft gar nicht, eine Outperformance gegenüber dem Markt zu erzielen. Das bestätigte jüngst das DZB Plenum. In der Umfrage zum dritten Quartal gibt ein Viertel der Anlageberater (26 %) an, dass die meisten ihrer Kunden bei Investments mit Aktienbezug lediglich eine Rendite oberhalb des Zinsniveaus anstrebe, die Hälfte (52 %) beziffert das Ziel der Kunden auf fünf bis zehn Prozent Rendite. Kaum jemand (2 %) berät vornehmlich Kunden, denen es wichtig ist, Benchmarks wie den Dax zu schlagen.
Besser mit Puffer
Bei der zweiten Beobachtungsgruppe der Analyse liegt die Erfolgsquote konstruktionsbedingt niedriger: Papiere mit Gewinngrenzen von 100 Prozent ermöglichen seltener eine Rückzahlung zum Höchstbetrag (blaue Linie, Grafik unten rechts). Schließlich ist bei den hohen Caps kein Puffer für dieses Ziel vorgesehen. Am Ende darf der Index nicht im Minus notieren, um den maximalen Auszahlungsbetrag zu ermöglichen. Die blaue Linie sackt hier deshalb auch deutlich weiter ab. Der tiefste Wert steht dabei ganz links in der Grafik. Von den 52 Discountzertifikaten, deren Emission zu Beginn des Beobachtungszeitraums – im letzten Quartal 2010 – simuliert wurde, hätte keines sein maximales Rückzahlungslevel erreicht. Dafür liefen die Aktienmärkte im anschließenden Jahr 2011 einfach zu schlecht. Allerdings steht auch in dieser Auswertung der offensiveren Papiere bei immerhin vier Jahrgängen eine 100-Prozent-Quote. Beim Vergleich mit dem Dax als Benchmark liefern diese Papiere dafür erwartungsgemäß bessere Ergebnisse als die defensiven Discountzertifikate. Dies führte dazu, dass letztlich in sieben von 14 Jahren das Vergleichsergebnis „pro Discounter“ ausfällt (bei Cap 80: sechs Jahrgänge).
Hilfe für das „perfekte Zertifikat“
Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass Discounter mit einem Direktinvestment zwar in starken Marktphasen konstruktionsbedingt nicht mithalten können, die Zielrendite schon bei 20 Prozent Puffer für den Dax aber extrem oft erreicht wird. Für die Suche nach dem „perfekten Zertifikat“, das sehr zuverlässig Erträge liefert, kann dies hilfreich sein. Und auch bei der Auswahl der Laufzeit als zweite Stellschraube kann die Auswertung helfen. Der Anlagehorizont von einem Jahr zeigte sich hierin am erfolgreichsten. Die durchschnittliche Performance betrug in dieser Laufzeitkategorie 3,39 Prozent p.a. (Cap 80). „Bei einer Fälligkeit nach nur wenigen Monaten hatten die Märkte oft nicht genug Zeit, um sich von Rücksetzern zu erholen“, erklärt Christian Köker von HSBC, der die Analyse initiiert und mit Kollegen durchgeführt hat. Die „Kurzläufer“ lieferten deshalb im Mittel nur niedrigere Renditen von 2,04 Prozent per annum (3 Mon., Cap 80). Aus heutiger Sicht erscheinen derartige Durchschnittsrenditen von zwei bis rund drei Prozent kaum attraktiv. Köker gibt dabei aber zu bedenken: „Im Untersuchungszeitraum waren die Zinsen in Europa acht Jahre lang negativ.“ In dieser Phase seien selbst niedrig einstellige Renditen für viele Investoren durchaus ansprechend gewesen. Heute haben sich die Vorgaben verbessert, die Konditionen ein Stück weit erholt. Bei Dax-Discountern mit rund einem Jahr Laufzeit und Cap bei etwa 80 Prozent sind derzeit mehr als 4 Prozent p.a. zu erwarten (z.B. HS4UGX, ohne Provision).
Volatilitat hilft den Konditionen
Dabei war das Umfeld auch in letzter Zeit nicht perfekt. Was während des Börsenaufschwungs fehlte, war Volatilität. Erst in den letzten Tag ist wieder mehr Bewegung in die Märkte gekommen. In schwankungsintensiven Zeiten sind Discountzertifikate weitaus günstiger zu haben. Das liegt daran, dass Marktteilnehmer dann auch für die Zukunft hohe Risiken erwarten und einpreisen. Das treibt den Wert von Optionen in die Höhe und Käufer von Discountzertifikaten profitieren durch die gestiegenen Prämien, die sie mit den Papieren indirekt vereinnahmen. Sollten Anleger mit ihrem Einstieg also lieber das nächste Börsengewitter abwarten? Geht es nach der HSBC-Auswertung, lautet die eindeutige Antwort: Ja! Um das zu prüfen, wurde nämlich eine gesonderte Auswertung der Daten erstellt. Dabei untersuchte die Emittentin, wie die Ergebnisse ausgefallen wären, hätten Anleger nur bei einem Mindestmaß an Volatilität in Dax- Discounter investiert. Als Signalgeber wurde der VDax New genutzt, der die erwartete Dax-Volatilität anzeigt. Das Ergebnis: Hätten Investoren in den vergangenen 14 Jahren immer nur dann in Dax-Discountzertifikate mit 80er-Cap und einem Jahr Laufzeit investiert, wenn der VDax New mindestens bei 20 Prozentpunkten notierte, wäre eine durchschnittliche Performance von 4,41 Prozent erreicht worden (Mittelwert ohne Vola-Timing: 3,39 %; Übersicht unten). Dabei wäre nur eines der 1.474 Zertifikate, die die Vola-Bedingung erfüllt hätten, ein Verlustbringer gewesen – und das auch nur mit einem minimalen Minus von 0,21 Prozent. Eine noch höhere Einstiegshürde – nämliche ein gefordertes VDax-Niveau von 30 – hätte Anlegern im Schnitt sogar ein Plus von 6,13 Prozent beschert. Kein einziger der unter dieser Bedingung aufgelegten Discounter hätte Verluste eingebracht und selbst die schwächste Performance (Worst Case) wäre ein Plus von 2,31 Prozent gewesen. Der Einbezug der Volatilität als Signalgeber schraubt die ohnehin schon guten Ergebnisse der Discountzertifikate also nochmals ein gutes Stück nach oben.
Lerneffekt bereits erkennbar
Viele Investoren haben den Zusammenhang zwischen Volatilität und „Discounter- Preisen“ bereits verinnerlicht und greifen vor allem dann zu, wenn es an den Märkten ungemütlich wird. Eine besonders starke Nachfrage verzeichnete HSBC beispielsweise im März 2023, als mehrere US-Regionalbanken in Schwierigkeit gerieten und an den Börsen die Furcht vor einer erneuten Bankenkrise umging (Grafik unten). Allerdings handelte es sich hier um einen „Vola-Peak“ mit einem Anstieg des VDax auf beinahe 50 Punkte. Insgesamt verlief das Aktienjahr eher ruhig (VDax New im Durchschnitt: 17 Pkt.). Trotzdem wurden in dem Gesamtjahr mehr Discounter gekauft als beispielsweise im Jahr 2022, das von starken Schwankungen geprägt war. „Es gibt also noch Verbesserungspotenzial“, sagt Köker mit Verweis auf die Volatilität als Kaufsignal. Das Problem ist jedoch: Je höhere Volatilitätsansprüche Investoren stellen, desto seltener kommen sie zum Zug. Nur an 324 von insgesamt 3.224 in der Analyse betrachteten Handelstagen lag der VDax bei 30 Punkten oder höher. Ein Wert von 20 war immerhin an fast der Hälfte der Tage erreicht (1.474).
Anwendung in der Beratung
Wer sich in solchen, oder auch in ruhigeren Phasen, für ein Discountinvestment entschieden hat, der findet tausende Angebote. Allein für den Dax sind derzeit etwa 17.000 im Sekundärmarkt gelistet – darunter auch Papiere, die für die Beratung vorgesehen sind und eine Provision beinhalten. Der Finanzdienstleister Dericon listet derzeit immerhin rund 750 bereits notierte Dax-Discounter mit Rückvergütung auf. Mau sieht es hingegen auf dem Primärmarkt aus. Dort hat sich ein anderes Konzept durchgesetzt, das zwar selten für den Dax zu haben ist, aber für eine Vielzahl von Einzelaktien das nahezu selbe Profil von Chancen und Risiken wie bei Discountern ermöglicht. Die Rede ist von Aktienanleihen. Anstelle eines Rabatts beim Einstieg erhalten Anleger dort eine sichere Kuponzahlung am Ende. Während der Cap beim Discounter die Maximalrückzahlung vorgibt, übernimmt bei der Aktienanleihe der Basispreis diese Funktion. Bei der klassischen Variante muss die Aktie also diese Marke erreichen, um das Anlageziel zu sichern. Einen Unterschied gibt es im Auszahlungsprofil dann aber doch: Sinkt der Index auf oder nahe null, nützt dem Investor auch ein anfänglicher Rabatt nichts mehr. Hingegen wäre bei Aktienanleihen auch dann noch der Kupon sicher. Dieses Szenario ist zwar unwahrscheinlich, trotzdem sorgt es dafür, dass Discountzertifikate im direkten Vergleich in der Regel besser gepreist werden. Das lässt sich einfach anhand einer Abfrage über „meinzertifikat. de“ aufzeigen. Auf der Plattform für Wunsch-Emissionen wurde bei einer Abfrage zum Monatsanfang für einen Dax- Discounter mit einem Jahr Laufzeit und Cap bei 100 Prozent eine Renditechance von 6,6 Prozent aufgezeigt. Für das Pendant bei Aktienanleihen waren es nur 6,0 Prozent (ohne Provision, Emittent: Vontobel). Anhand solcher Preisabfragen lässt sich auch gut beobachten, wie sich die Renditechancen mit der Platzierung des Caps verändern. So liefern Discounter mit Gewinngrenze bei 90 Prozent nur Maximalrenditen von 4,4 Prozent. Wählen Anleger hingegen einen Cap oberhalb des aktuellen Indexkurses, ist die darstellbare Rendite schnell zweistellig (11,10 % bei Cap 110 %). Damit das maximal mögliche Ergebnis hier aber erreicht wird, muss der Dax zwingend steigen. Solche offensiven Strategien werden nur selten angewandt. Für die Praxisbeispiele zum Dax und zu einigen gefragten Aktien auf den Folgeseiten wurden deshalb nur Caps von unter 100 Prozent gewählt, wobei gerade bei Einzelaktien für eine vergleichbare Sicherheit höhere Puffer nötig sind als beim Dax. Einzelne Titel schwanken stärker als Indizes und ihr Kurs wird auch nicht – wie beim Dax – von Dividenden gestützt. Dafür bieten sie bei identischen und oft auch etwas größeren Cap-Abständen höhere Renditechancen.
Welches Ergebnis aus dem Langzeittest hat Sie am meisten uberrascht?
99,78 Prozent: So hoch ist der Anteil der Discounter, die eine positive Performance erzielen konnten, sofern der Abstand zum Cap 20 Prozent und die Laufzeit ein Jahr beträgt. In über 13 Jahren gab es also nicht einmal zwei Hände voll Tage, an denen ein Investor mit einem solchen Discounter ein Jahr später Geld verloren hat. Diese Eindeutigkeit finde ich sehr beeindruckend! Es zeigt, dass man in den letzten Jahren mit einer solchen Ausgestaltung nur äußerst selten etwas falsch machen konnte.
Zu welchem Zweck werden „Discounter“ am haufigsten eingesetzt?
„Renditeoptimierung“ ist vermutlich der passendste Begriff. Wie in der Studie geht es auch in der Praxis oft darum, ein konkretes Renditeziel mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu erreichen. Durch die geringeren Schwankungen im Vergleich zum Direktinvestment haben insbesondere risikoaverse Anlegerinnen und Anleger dabei eine bessere „emotionale Erfahrung“.
Welche Basiswerte stehen bei diesen Strategien jetzt besonders im Fokus?
Allen voran sind dies weiterhin die beiden großen Indizes Dax und Euro Stoxx 50. Danach folgen zumeist deutsche Standardwerte wie beispielsweise Allianz, BASF, Bayer, Rheinmetall oder Volkswagen. Erfreulicherweise beobachten wir, dass diese Dominanz vereinzelt durch USamerikanische Basiswerte wie Nvidia, Intel oder dem Nasdaq-100 aufgebrochen wird.